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Digitalisierungsgeschichten

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Die gescheiterte SAP Einführung bei Lidl (Projekt Elwis)

Im Sommer 2018 ging es durch die Medien: “SAP Einführung bei Lidl nach 7 Jahren und geschätzten Kosten von 500 Mio Euro gestoppt.”.

Das war natürlich ein Aufreger und für viele ein weiteres Beispiel, dass es mit großen IT Projekten “nicht ganz so leicht ist”. Natürlich war hier und da auch Schadenfreude zu vernehmen und für die Marktbegleiter der SAP war das natürlich ein gefundenes Fressen.

Die Hintergründe

Was war aber eigentlich passiert?

Die Lidl-Verantwortlichen sprachen zum Start des Projektes vom “größten Transformationsprozess in der Unternehmensgeschichte“ (Quelle). 7 Jahre und 500 Millionen Euro später hörte man “In der Kosten-Nutzen-Abwägung spricht alles für die Weiterentwicklung der Wawi” (Anmerkung: Wawi = Warenwirtschaft; Eigenentwicklung von Lidl, die eigentlich abgelöst werden sollte).

Verglichen mit den anderen Veröffentlichungen zu diesem Projekt bereitete Heise im Artikel “So starb “Elwis”: Hintergründe zu Lidls SAP-Rückzug” die Hintergründe einigermaßen seriös auf. Einer der Hauptgründe für den Abbruch des Projektes waren teure Anpassungen, weil Lidl bestimmte Funktionen genauso haben wollte, wie sie es aus ihrer bisherigen Software kannten.

Einer dieser Punkte war die Bewertung von Warenbeständen anhand von Verkaufspreisen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehr fragwürdig. Wo kommen wir denn hin, wenn Bestandsbewertungen aufgrund von willkürlichen selbst gewählten Preisen manipuliert werden können? Es gibt gute Gründe, für die Bewertung die tatsächlich angefallenen Kosten aus dem Einkauf heranzuziehen.

Fairerweise muss man sagen, dass seitens Lidl keine direkten Vorwürfe gegen die SAP Software geäußert wurden. Es wurden einfach - einmal mehr - ein paar längst bekannte Wahrheiten missachtet, die grundsätzlich für jede Softwareeinführung und jedes IT- oder Transformationsprojekt gelten.

Einige Wahrheiten über IT- und Transformationsprojekte

Im Interview mit der Wirtschaftswoche gibt der HSBC Risikovorstand Fredun Mazaheri interessante Einblicke in sein eigenes SAP Projekt und zählt einige Lessons Learned auf. Diese werden hier in Auszügen zitiert, weil sie recht gut zum Lidl Projekt passen.

“Bei IT-Projekten geht es nicht nur um Technologie. Das ist keine Aufgabe, um die sich allein die IT-Abteilung kümmert und dann ist es gut. Das wäre – speziell bei Großprojekten – geradezu dramatisch falsch. Das sind strategische Themen, die Aufmerksamkeit und Engagement der Führungsebene brauchen. Nur hin und wieder auf ein paar Ampeln zum Projektzustand zu schauen, reicht nicht.”

Es “… sind nicht in erster Linie Tech- sondern vor allem Managementkompetenzen gefragt. Die sollten im Vorstand Pflicht sein. Das nötige Grundverständnis für die IT kann sich der oder die Zuständige erarbeiten.”

“Zu wenig interne und zu viel externe Kompetenz, die ein IT-Großprojekt stemmen soll. Unternehmen neigen dazu, sich für große Tech-Projekte zu viele Fachleute von außen zu holen und zu wenig eigene Kompetenzen aufzubauen…Ein Drittel Externe. Maximal.”

“Große IT-Vorhaben – ganz egal, ob es sich um SAP-Projekte oder solche mit anderen Anbietern handelt – brauchen Zeit… Um so etwas durchzuziehen, braucht es Ausdauer und Durchhaltewillen. Wer das nicht bedenkt und beherzigt, fährt den Karren garantiert irgendwann vor die Wand.”

“SAP entwickelt leistungsfähige Standard-Software. Das heißt, sie bauen Programme, die sie für standardisierte Prozesse in Unternehmen optimieren. Wenn sich in der Wirtschaftswelt also bestimmte Arbeitsabläufe, juristische Verfahren oder Buchungsprinzipien als besonders effizient erweisen, kann man davon ausgehen, dass man die auch in SAPs Produkten wiederfindet.”

“Viele Unternehmen machen manches aber intern anders, als es der branchenübergreifende Normalfall vorsieht. Das kann gute Gründe haben, oder auch der Geschichte oder der Gewohnheit geschuldet sein. Wenn ein Unternehmen in solchen Fällen Standard-Software einführen will, hat es zwei Optionen – und beide sind unangenehm: Entweder es passt die Software an die internen Sonderlichkeiten an, oder es passt die internen Prozesse an die Software an.”

“Interne Strukturen umzubauen, gewohnte Arbeitsabläufe umzuschmeißen, das „Haben-wir-immer-schon-so-gemacht“ abzuschaffen, das kostet Kraft. Das ist eine eigene Herausforderung, ein Change-Management-Projekt. An den Standardmodulen von SAP herumzuschrauben, kann da als der vermeintlich leichtere Weg erscheinen.”

“Bleibt man beim Standard, ist es schnell, effizient und robust. Schraubt man daran herum, können Kosten und Probleme durch die Decke gehen.”