Digitalisierungsgeschichten
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Dieses Schlebad spielt in der Auftragserfassung eines Unternehmens. Dort war es bisher üblich, dass ab einer bestimmten Auftragshöhe zusätzlich ein paar Dinge geprüft werden mussten - z.B. das Kreditlimit. Also: ob ein Kunde in einem bestimmten Zeitraum das ihm eingeräumte Kreditlimit (z.B. 100.000 €) bereits ausgeschöpft hat.
Die eingehenden Aufträge wurden von der Abteilung “Auftragserfassung” erfasst, aber bei entsprechender Auftragshöhe gegen die Weiterbearbeitung gesperrt. Danach wurde der “Prozess” an eine zweite Abteilung “Kreditlimitprüfung” übergeben - häufig durch einen “Klebezettel”.
Die Abteilung “Kreditlimitprüfung” prüft dann diese Aufträge, in dem sie die Auftragshistorie des Kunden sowie den “bezahlt”-Status der Rechnungen kontrollierte. Dafür hatte sie speziell entwickelte Tools zur Verfügung. Der Vorgang dauerte trotzdem bis zu drei Tage. Bei Urlaub oder weil mal ein Klebezettel “verweht” wurde, auch ein bisschen länger.
Das Unternehmen startete eines Tages ein Digitalisierungsprojekt, indem es eine neue Software einführte und auch bestehende Prozesse verändern wollte. Die Geschäftsführung kommunizierte die Ziele klar und liess das Projekt durch ein “Change Management” unter Einbindung des Betriebsrates begleiten. Wie es so üblich ist, stand natürlich der Kunde im Mittelpunkt und alle Prozesse sollten auf den Prüfstand. Eine Entlassung von Mitarbeitern wurde ausgeschlossen und das Projektteam bekam die notwendige Unterstützung “von oben”.
Während des Projektes stellte sich heraus, dass der Prozess “Kreditlimitprüfung” durch die neue Software ohne jeglichen Aufwand automatisierbar wäre. D.h. keine unnötigen Verzögerungen mehr und der Kunde würde deutlich schneller bedient werden können. Das bekan dann die bisherige Abteilung “Kreditlimitprüfung” mit und intervenierte bei der Geschäftsführung.
Das Ergebnis war, dass die automatische Kreditlimitprüfung der Software “ausgebaut” wurde und die bisherigen Tools der Abteilung “Kreditlimitprüfung” in der neuen Software nachgebaut werden mussten. Das alles hat natürlich zusätzliche Kosten verursacht, für viel “Kopfschütteln” gesorgt und das Vertrauen in die Geschäftsführung nachhaltig gestört.
Der Kunde muss jetzt natürlich wieder länger auf seinen Auftrag warten und Verbesserungspotenziale wurden leichtfertig verspielt. Und das alles wegen ein paar Mitarbeitern, die sich nicht den Unternehmenszielen unterordnen wollten und ihre eigenen Interessen durch informelle Machtstrukturen durchsetzen konnten. Manche Dinge sind eben wichtiger …
Diese Geschichte ist ein Beispiel für “Wenn man einen Sch…-Prozess digitalisiert, bekommt man einen digitalisierten Sch…-Prozess”. Wenigstens die Klebezettel konnten ersetzt werden. Was geht in den Menschen vor, die sich so verhalten? Vor allem, wenn Entlassungen gar nicht zur Diskussion standen? Ist es nur die Unwilligkeit oder Unfähigkeit zur Veränderung?
Auf jeden Fall sollte man die internen Machtstrukturen nicht unterschätzen, die sogar die Geschäftsführung von ihrem Pfad abbringen können.
Sie haben eine interessante SCHLEBAD Anekdote für uns? Auf der Projektseite ist beschrieben, wie Sie zu diesem Projekt beitragen können. Wir freuen uns auf Ihre Erfahrungen!